Vor über 50 Jahren wurde die Ekhofstraße in Hamburg geräumt! Der Kampf geht aber weiter!!

Veranstaltung dazu in Bremen:

Mittwoch, den 25.Oktober um 18:30 Uhr

Kommunikationszentrum Paradox

Bernhardstr. 12

Am 19. April 1973 besetzten zirka 50 Menschen ein Haus in Hamburg, die Ekhofstraße 39.

Die Aktion erfolgte auf Grund der Umstrukturierung bzw. Modernisierung des Stadtteils Hohenfelde, was heute wohl als Gentrifikation bezeichnet wird. Bei der Besetzung war die kämpfende Linke Hamburgs ein Anziehungspunkt. Die Besetzer:innen betrieben deswegen Stadtteilarbeit für die Bevölkerung, boten z. B. Beratung in Mietfragen an und praktizierten kostenlose medizinische Hilfe für die Menschen im Stadtteil und wehrten sich offensiv gegen Polizeikontrollen.

Dadurch sprachen sie vor allem viele Jugendliche an, die selbst unzufrieden mit dem herrschenden System waren und auf der Suche nach Orientierung: es kamen Schulklassen zu Besuch, Unterprivilegierte wie Rocker zogen ein, weiterhin holten sie Jugendliche aus den Heimen und so bekamen diese im Haus eine Bleibe .

Kurz vor der Räumung gaben die Hausbesetzer:innen dem besetzten Projekt einen Namen: „Petra Schelm-Haus“. Petra wurde als erste Militante aus der RAF am 15. Juli 1971 in Hamburg während einer Fahndung erschossen.

Das Haus wurde am 23. Mai von einem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Hansestadt geräumt. Erwogen wurde, den § 129 („Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“) gegen sie einzusetzen. 12, 14 und 16 Monate waren im anschließenden Verfahren für 3 Genoss:innen die „Höchststrafen“.

Einige von den Hausbesetzer:innen wie Stefan Wisniewski, Bernd Rössner, Wolfgang Beer, Andreas Vogel und Christa Eckes haben sich später bewaffneten Gruppen wie der „Bewegung 2. Juni“ und der RAF angeschlossen.

Ein Motto für uns ist „Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen und weiter entwickeln“

Deshalb wollen wir auch mit euch u.a. darüber diskutieren:

War die Repression damals oder heute drakonischer?

Gab es Unterschiede zwischen den heutigen und den damaligen Kämpfen?

Was können wir heute aus diesen Ereignissen lernen und wie können wir die Erfahrungen nutzbar machen?

Anwesend wird ein ehemaliger Hausbesetzer sein.

Netzwerk Freiheit für alle politische Gefangenen, HH

HH:Vor 50 Jahren wurde die Ekhofstraße geräumt!

von: Netzwerk Freiheit für alle politische Gefangenen, HH
am: 23.05.2023 https://de.indymedia.org/node/280300

Am 19. April 1973 besetzten zirka 50 Menschen ein Haus in Hamburg, die Ekhofstraße 39.

Die Aktion erfolgte auf Grund der Umstrukturierung bzw. Modernisierung des Stadtteils Hohenfelde, was heute wohl als Gentrifikation bezeichnet wird. Bei der Besetzung war die kämpfende Linke Hamburgs ein Anziehungspunkt. Die Besetzer:innen betrieben deswegen Stadtteilarbeit für die Bevölkerung, boten z. B. Beratung in Mietfragen an und praktizierten kostenlose medizinische Hilfe für die Menschen im Stadtteil und wehrten sich offensiv gegen Polizeikontrollen.

Dadurch sprachen sie vor allem viele Jugendliche an, die selbst unzufrieden mit dem herrschenden System waren und auf der Suche nach Orientierung: es kamen Schulklassen zu Besuch, Unterprivilegierte wie Rocker zogen ein, weiterhin holten sie Jugendliche aus den Heimen und so bekamen diese im Haus eine Bleibe .

Kurz vor der Räumung gaben die Hausbesetzer_innen dem besetzten Projekt einen Namen: „Petra Schelm-Haus“. Petra wurde als erste Militante aus der RAF am 15. Juli 1971 in Hamburg während einer Fahndung erschossen.

Das Haus wurde am 23. Mai von einem Mobilen Einsatzkommando (MEK) der Hansestadt geräumt. Erwogen wurde, den § 129 („Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung“) gegen sie einzusetzen. 12, 14 und 16 Monate waren im anschließenden Verfahren für 3 Genoss:innen die „Höchststrafen“.

Einige von den Hausbesetzer_innen wie Stefan Wisniewski, Bernd Rössner, Wolfgang Beer, Andreas Vogel und Christa Eckes haben sich später bewaffneten Gruppen wie der „Bewegung 2. Juni“ und der RAF angeschlossen.

Ein Motto für uns ist „Revolutionäre Geschichte aneignen und verteidigen und weiter entwickeln“

Deshalb wollen wir auch mit euch darüber diskutieren:

Was können wir heute aus diesen Ereignissen lernen und wie können wir die Erfahrungen nutzbar machen?

Bei Interesse z.B. an  einer Veranstaltung:

hamburg@politcal-prisoners.net 

https://ekhofstrasse.blackblogs.org/

(ndr) Erster Einsatz vor 50 Jahren: Hamburger MEK räumt besetztes Haus

https://www.ndr.de/geschichte/chronologie/Erster-Einsatz-vor-50-Jahren-Hamburger-MEK-raeumt-besetztes-Haus,mek158.html

Stand: 23.05.2023 05:00 Uhr

Im Frühjahr 1973 haIten junge Leute der linken Szene in Hamburg ein Haus besetzt – seit Wochen. Für die Räumung rückt am 23. Mai erstmals das Mobile Einsatzkommando (MEK) an. Diese spezielle Einheit der Polizei greift seitdem immer ein, wenn große Gefahr besteht.

von Dirk Hempel

An jenem Tag im Mai stürmen Polizisten ein Haus an der Ekhofstraße im Hamburger Stadtteil Hohenfelde. Dort haben sich mehr als 70 Hausbesetzer verbarrikadiert, junge Männer und Frauen der linken Szene. Sie protestieren seit Wochen gegen den Abriss des altes Gebäudes, an dessen Stelle die Neue Heimat ein Hochhaus errichten will. Immer öfter aber haben sie auch Anwohnende und Polizisten bedroht und angegriffen.

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Podcast Politik (2013)

Zur Geschichte der Hausbesetzung der Hamburger Ekhofstrasse

Am 19. April 1973 besetzten zirka 50 Menschen ein Haus in Hamburg, die Ekhofstrasse 39.

Die Aktion erfolgte auf Grund der Umstrukturierung des Stadtteils Hohenfelde, was heute wohl als Gentrifikation bezeichnet wird. Bei der Besetzung war die radikale Linke Hamburgs ein Anziehungspunkt.

https://www.untergrund-blättle.ch/audio/514857/zur-geschichte-der-hausbesetzung-der-hamburger-ekhofstrasse.html

Radio: radio flora Datum: 08.05.2013

Länge: 24:56 min. Bitrate: 96 kbit/s

Auflösung: Stereo (44100 kHz)

Eintrag MAO-Datenbank zur Ekhofstrasse (Dokumente aus den 70ern)

Hamburg-Hohenfelde
Die Hausbesetzung in der Ekhofstrasse 39 im Jahr 1973

Materialien zur Analyse von Opposition

Von Jürgen Schröder, Berlin

In Hamburg-Hohenfelde war vor der Hausbesetzung ab spätestens 1972 die Mieterinitiative Ekhofstraße / Graumannsweg aktiv, die allerdings von der Besetzung nicht informiert war (vgl. 20.6.1973).

Diese Hamburger Hausbesetzung reihte sich ein in eine ganze Welle von Hausbesetzungen des Frühjahres 1973, die wohl nicht zuletzt unter dem Eindruck der Frankfurter Häuserkämpfe erfolgten, soweit sie nicht eher, wie z.B. in Bielefeld und Dortmund oder bei der Hamburger ‘Fabrik’ durch die Jugendzentrumsbewegung erfolgten.

Bei Hoesch Dortmund sah die KPD/ML-ZK, in der ersten hier dokumentierten Erwähnung der Hamburger Hausbesetzung (vgl. 23.4.1973), so bereits die Revolution herannahen. Auch die örtliche Rote Garde (RG) Hamburg ist offenbar an der Besetzung beteiligt (vgl. 5.5.1973), die ansonsten u.a. von Leuten aus der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM – vgl. Dez. 1973) und der Proletarischen Front (PF) – Gruppe westdeutscher Kommunisten (PF-GWK – vgl. 22.6.1973) sowie der evtl. bereits aufgelösten ex PF-Gruppe Hamburg (PF GH) getragen wurde.

Nicht wenige der kriminalisierten BesetzerInnen, wie z.B. die früher der GIM – die sich ja mit den Linksradikalen seit langem den Manifestbuchladen teilte – zugehörige Christa Eckes, aber auch Karl-Heinz Dellwo und Margit Schiller, werden später für die Rote Armee Fraktion (RAF) aktiv.

Die Besetzer gebärdeten sich militant, obwohl es dann doch bei der gewalttätigen Räumung (vgl. 23.5.1973), nur für ein Manöver der neuen Einsatzkräfte der Polizei in Form des Mobilen Einsatzkommandos (MEK) reichte. Die Zahlenverhältnisse von 70, angeblich bis an die Zähne bewaffneten Besetzern, die gerne in den Hauseingängen mit Helm und Knüppel für die geneigte Presse posiert hatten, gegen lediglich 60 normale Polizisten und nur 45 MEKler – verdeutlichen, dass es der Polizei nicht zuletzt um sportlichen Ehrgeiz ging bzw. man die Kampfkraft der BesetzerInnen für eher gering hielt und sich das MEK als neueste Truppe zur Lösung von politischen Problemen bewähren sollte. Da kam diese Hausbesetzung für einige Strategen sicher gerade recht.

Auch die örtliche Bevölkerung, bei der sich die Besetzer offenbar nachhaltig unbeliebt gemacht hatten (vgl. 20.6.1973, 19.10.1973), wird nach den linken Quellen am Nachmittag erfolgreich eingeschüchtert, ein guter Teil der radikalsten Hamburger Linken aber nachhaltig inhaftiert bzw. kriminalisiert.

Aus Leserkreisen erreichte uns folgende namenlose Zuschrift einer Person:

“Ich wundere mich, das in diesem Bericht nichts davon steht, dass die ach so guten Hausbesetzter uns damalige Grundschüler auf dem Schulweg mit Stahlkugeln aus Zwillen beschossen haben? Warum steht da nichts davon, dass die Wichser da gehaust haben wie die Ratten, die Verkäuferinnen vom Bolle-Laden für ein paar Kippen verprügelt wurden, warum lese ich nichts davon, das kleinen Kindern der Roller oder das Fahrrad weggenommen wurde, damit es von ein paar langhaarigen und bärtigen Rockern kaputt gemacht werden konnte. So eine Scheiße kann man nur schreiben, wenn man nicht selber dabei gewesen ist. Ich habe diese Schweine dort jeden Tag erlebt und würde denen heute noch auf die Fresse schlagen, für die Stahlkugeln die mich getroffen haben. Das waren ganz tolle Kerle, die sich da mit Erstklässlern angelegt haben. Also, wenn Du eins von den Arschlöchern warst, die damals dort auf der Haustreppe gesessen haben, dann komm doch mal bei mir vorbei, wir haben da noch eine Rechnung offen.” (Email vom 4.1.2010)

Der Protestzug der Linken gegen die Räumung am folgenden Wochenende (vgl. 26.5.1973) erscheint nicht sonderlich gut besucht, angesichts dessen, dass die linksradikalen Gruppen, also Spontis, RAF-Freunde, Anarchos, KPD, KPD/ML sowie die GIM vermutlich ziemlich komplett aufmarschierten, sowie auch der spätere KBW, der damals in Hamburg noch Kommunistische Gruppe (KG) Hamburg bzw. Sozialistische Studentengruppe (SSG) Hamburg hieß (vgl. 2.5.1973, 29.5.1973, 25.6.1973) und auch der Kommunistische Bund (KB), wobei die Hausbesetzer anprangern, daß sowohl KB als auch die KG Hamburg gemeinsam Ketten vor dem Weg zum ehemals besetzten Haus bildeten.

Vom weiteren Verlauf der juristischen Verfahren wird in dieser Darstellung vor allem vermittels der Zeitung der KPD/ML auf verschiedene Artikel verwiesen (vgl. 22.9.1973, 6.10.1973, 27.10.1973, 17.11.1973, 29.4.1974, 22.6.1974), war die KPD/ML bzw. ihre RG doch nicht nur an der Besetzung beteiligt, sondern versuchte auch längere Zeit über, mit den eher auf die RAF orientierten örtlichen Roten Hilfen (RH – vgl. Nov. 1973, 5.11.1973), die sich für die Hausbesetzer einsetzten, eine gemeinsame Kampffront zu konstruieren, bevor sie sich – oft gezwungenermaßen – aus diesem Spektrum letztendlich in die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) verabschiedete, ebenso wie die KPD und deren Anhänger, die ebenfalls wiederholt über die Folgen der Hausbesetzung berichten (vgl. Okt. 1973, 19.11.1973, 12.12.1973, 17.1.1974, 18.1.1974, 7.8.1974, 14.8.1974).

Auf den Richter wird ein Anschlag verübt (vgl. 29.7.1974, 3.9.1974), später werden die Urteile gegen die Hausbesetzer teilweise vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben um schwerwiegendere Anklagen zu formulieren (vgl. 30.4.1975, 16.6.1975, 11.3.1976).

Vollständiges Material, vor allem Flugblätter unter folgender Adresse:

https://www.mao-projekt.de/BRD/NOR/HBG/Hamburg_Ekhofstrasse_39.shtml

50 Jahre Besetzung der Ekhofstraße in Hamburg

Die Häuserkämpfe der 70er Jahre zeigen auf, daß es auch in dem Reproduktionsbereich möglich war, neue radikale Kampfformen zu entwickeln, die trotz ihres bewußten Durchbrechens von legalistischen Politikformen zu teilweise breiten Solidarisierungen innerhalb der Bevölkerung führten.”
(aus dem Buch “Feuer und Flamme” zur Geschichte der Autonomen von 1988)

Die Besetzung in der Ekhofstraße für 6 Wochen im Frühjahr 1973 und die anschließende Räumung mit Spezialeinheiten hatte für die Hamburger radikale Linke einschneidende Bedeutung und beschäftigte sie noch Jahre später.

Eine Rückschau in die Geschichte verleitet oft dazu, Situationen zu verklären und soziale Kämpfe aus dem Kontext gerissen zu betrachten. Starke Bilder sind überliefert, behelmte Linksradikale, die sich hinter Barrikaden im Haus verschanzen und heftige militante Aktionsformen ausführen, wie sie heute nur noch selten üblich sind. Dabei haben sich nicht nur die technischen und medialen Bedingungen verändert und ließen zur Zeit der Ekhofstraßen-Besetzung andere Aktionsformen zu, die heute ganz anders kriminalisierbar wären – auch die radikale Linke hatte Anfang der 70er Jahre einen anderen gesellschaftlichen Stand, der weitreichendere Ziele als heutzutage möglich erscheinen ließ.

Es soll für alle da sein, für Jugendliche, für Gastarbeiter, für entlassene Strafgefangene. Wir wollen hier kein linkes Ghetto schaffen”
(Hausbesetzer aus der Ekhofstraße 1973 im Mopo-Hamburg-Interview)

Leute aus verschiedenen Gruppen und Organisationen wie Ehemalige aus der GIM (Gruppe internationale Marxisten), Rote Hilfe und Proletarische Front aber auch Linke, die den noch jungen bewaffneten Gruppen politisch verbunden waren oder Spontis hatten die Frage revolutionärer Gewalt im Vorfeld ausgiebig diskutiert, sowie die konkrete Besatzung auch unter dem Eindruck der aktuellen Entwicklungen im Frankfurter Häuserkampf vorbereitet. Ziele waren unter anderem, praktische Konsequenzen aus den oft eher intellektuellen Ansätzen der 68er Revolte zu ziehen und neben der Gründung eines politischen Zentrums auch Randgruppen einzubinden, medizinische Selbsthilfe und eine “Vermassung” mit der Bevölkerung zu erreichen. Das Spektrum der Besetzer*innen lehnte das Konzept des “Marsches durch die Institutionen” ab und riskierten auch durch die gerade von den Sozialdemokraten 1972 durchgesetzte Berufsverbots-Gesetzeslage den Bruch mit bürgerlichen Karrieren. Viele hatten aber von vorneherein keine Ambitionen in diese Richtung und sahen darin daher das geringste Problem. Der Aufrüstung des Staatsapparates sollte offensiv begegnet werden.

Die am Ende recht erfolgreiche Strategie des Staates gegen die Ekhofstraßen-Besetzung war, sich nicht direkt auf eine rein polizeilich-militärische Überlegenheit zu verlassen, sondern zunächst die etwa 200 Besetzer*innen gesellschaftlich zu isolieren und über mehrere Wochen ein mediales Bild von “Kriminellen” und “Politrockern” aufzubauen. Hierzu wurden auch durch Polizeipräsenz und Kontrollen Zwischenfälle provoziert, die zu einem Ablenken der Öffentlichkeit von politischen Fragen beitrug und den Ruf nach einem “Durchgreifen der Staatsmacht” unterstützen sollte.

Die Räumung wurde abschließend überraschend mit massiver Gewalt der Bullen und einer militärischen List mit zivilen Fahrzeugen durchgeführt. Eine im Haus bekannte Person kooperierte mit den Cops oder war selber einer, dieser kam unter einem Vorwand an die Tür und hinter ihm stürmte das mit Schußwaffen bewaffneten MEK (Mobilen Einsatzkommando) das Haus. Dieses hatte hier seinen ersten Einsatz und wurde im Anschluß in Medien wie dem “Hamburger Abendblatt” für ihren effektiven Zugriff gelobt. Der Termin der Räumung war durch befreundete Journalist*innen den Besetzer*innen bekannt geworden, nicht aber der genaue geplante Ablauf. Insgesamt waren über 600 Cops im Einsatz, 73 Personen wurden im Haus verhaftet. Das Haus war nach wenigen Stunden verloren und wurde sofort abgerissen, die Idee eines kulturellen und politischen Zentrums war damit zerstört worden und viele Gruppen und Zusammenhänge in den nächsten Jahren vor allem mit der Verarbeitung der Repression beschäftigt. Noch knapp zwei Wochen vor der Räumung täuscht ein Polizeisprecher in einem Artikel der “Zeit” eine liberale Haltung vor: “wenn die BEWOBAU keine rechtlichen Schritte verlangt, könnte dieser latente Zustand, so Polizeisprecher Hermann Wöhrle, “bis zum Sankt-Nimmerleins-Tag dauern”.” Die staatliche Strategie war also, die Besetzung auf jeden Fall zu zerschlagen aber eine Duldung vorzutäuschen, um die Räumung effektiver und mit weniger Verlusten durchzusetzen.

Warum war die Besetzung dem Staat und reformistischeren linken Gruppen ein Dorn im Auge? Ein Ort des Austausches und der längerfristigen Organisierung von radikalen Linken untereinander und zusätzlich offen für unangepasste Jugendliche und soziale Randgruppen war bis dahin kaum möglich gewesen und hat dort, wo Hausbesetzungen erfolgreich waren dazu beigetragen, allgemein radikale linke Bewegungen zu stärken. Der Ansatz, sich auch im reproduktiven Bereich, also im Alltag und auf persönlicher Beziehungsebene politisch zu organisieren und gegenseitig zu stärken war und ist eine Provokation und ein Angriff gegen die gesellschaftliche Norm, sich mit Kleinfamilie und Lohnarbeit über Wasser zu halten und damit abhängiger im kapitalistischen System verfügbar zu sein.

Das Haus ist ein echtes Kommunikationszentrum, hier kommt man in Kontakt mit Leuten und damit Gedanken und Problemen, die man sonst nicht so einfach kennen lernt.”
(ein Besetzer aus der Ekhofstraße im Rückblick)

Was können wir heute aus diesen Ereignissen lernen und wie können wir die Erfahrungen nutzbar machen? Die gesellschaftlichen Bedingungen sind andere, aber es gibt politische Parallelen.
Auch wenn die Auseinandersetzungen bei Räumungen heftig, teuer oder mit Imageverlust der Herrschenden einhergeht – wenn ein Haus oder ein Ort des Widerstandes verloren geht, bricht damit auch ein Teil der Bewegung zusammen. So war es auch bei den zahlreichen Räumungen seit der Ekhofstraßen-Besetzung, vor allem in den 80er und 90er Jahren. Besetzte Häuser und/oder soziale Zentren, die Raum für linke und linksradikale Aktivitäten bieten sind eine Infrastruktur durch die eine linke Strömung wachsen kann und Anknüpfungspunkte zum mitmachen entstehen.

So wie in der Ekhofstraße zwischenzeitlich “Randgruppen” ein Zuhause und unangepasste Jugendliche einen Unterschlupf fanden, so sind auch heute Orte wichtig, die nicht zum Konsum zwingen, die den staatlichen Zugriff erschweren oder “Freiräume” bieten, Alltag anders zu gestalten. “Freiräume” ist relativ zu sehen, die Gesellschaft lässt sich schließlich nicht aussperren und es bleiben immer Widersprüche. Aber zumindest wird in vielen autonomen Zentren, selbstverwalteten Jugendzentren oder linken Kollektivorten versucht, anders miteinander umzugehen und Kommerzielles steht nicht im Vordergrund. Gerade am Stadtrand, in der Kleinstadt oder in der Provinz sind solche Orte die vielleicht einzige Chance für unangepasste Jugendliche und andere, nicht ganz so isoliert dazustehen und sich zusammenzufinden und zu politisieren. Räume sind also wichtig und um ihren Erhalt muss gekämpft und gestritten werden.

Nicht nur Häuser sind Räume für utopische Praxis und praktische Utopien gegen eine Gesellschaft der Herrschaft. Früher wie heute ist klar, es gibt kein gutes Leben für Alle im Kapitalismus.

Lützerath wurde gerade im Januar 2023 geräumt, trotz verhältnismäßig großer Mobilisierungen und guter logistischer Verteidigung. Es sollte nicht der Mythos genährt werden, dass allein eine militantere oder kompromisslosere Haltung der Beteiligten zum Ziel geführt hätte. Auf der militärischen Ebene werden wir in absehbarer Zeit unterlegen bleiben. In den 70er Jahren war die radikale Linke deutlich stärker, auch in ihrer Anzahl. Auch zehnmal oder hundertmal so viele Aktivist*innen alleine bringen nicht den Erfolg, das zeigt die Geschichte, in der die radikale Linke deutlich stärker war. Das heißt nicht, dass es nicht sinnvoll ist, sich zu wehren und eine Räumung geschickt zu verlangsamen, wie in den letzten Jahren immer wieder eindrucksvoll von der Klimabewegung gezeigt. Es liegt wohl an der Mischung der Aktionsformen und solidarischer Akzeptanz, an der gesellschaftlichen Verankerung und dem gesellschaftlichen Druck unserer Kampagnen, der in einer Kosten-Nutzen Abwägung der Verantwortlichen im Staatsapparat dazu führen sollte, dass wir uns durchsetzen.

Es muss also darum gehen, zu gewinnen und sich durchzusetzen, so schlicht das klingt.

Vermutlich ist es die Mischung aus Konfrontation und Verhandlung, die Moblisierungsfähigkeit und Entschlossenheit gleichermaßen, die es uns ermöglicht, Brüche im kapitalistischen System durchzusetzen. Es braucht keine schlichte Zuspitzung, sondern eine Verschiebung der Kräfteverhältnisse, bevor zugespitzt werden kann. Dafür müssen wir Menschen begeistern, mitnehmen,zuhören und unsere Praxis selbstkritisch miteinander reflektieren, mehr werden und uns umeinander kümmern und bemühen. Hierfür brauchen wir Organisierung und Pluralität.

Vorbereitungsgruppe zu 50 Jahre Ekhofstraße, Hamburg im März 2023