Hamburg-Hohenfelde
Die Hausbesetzung in der Ekhofstrasse 39 im Jahr 1973
Materialien zur Analyse von Opposition
In Hamburg-Hohenfelde war vor der Hausbesetzung ab spätestens 1972
die Mieterinitiative Ekhofstraße / Graumannsweg aktiv, die allerdings
von der Besetzung nicht informiert war (vgl. 20.6.1973).
Diese Hamburger Hausbesetzung reihte sich ein in eine ganze Welle von
Hausbesetzungen des Frühjahres 1973, die wohl nicht zuletzt unter dem
Eindruck der Frankfurter Häuserkämpfe erfolgten, soweit sie nicht eher,
wie z.B. in Bielefeld und Dortmund oder bei der Hamburger ‘Fabrik’ durch die Jugendzentrumsbewegung erfolgten.
Bei Hoesch Dortmund sah die KPD/ML-ZK,
in der ersten hier dokumentierten Erwähnung der Hamburger Hausbesetzung
(vgl. 23.4.1973), so bereits die Revolution herannahen. Auch die
örtliche Rote Garde (RG) Hamburg ist offenbar an der Besetzung beteiligt (vgl. 5.5.1973), die ansonsten u.a. von Leuten aus der Gruppe Internationaler Marxisten (GIM – vgl. Dez. 1973) und der Proletarischen
Front (PF) – Gruppe westdeutscher Kommunisten (PF-GWK – vgl. 22.6.1973)
sowie der evtl. bereits aufgelösten ex PF-Gruppe Hamburg (PF GH) getragen wurde.
Nicht wenige der kriminalisierten BesetzerInnen, wie z.B. die früher der GIM
– die sich ja mit den Linksradikalen seit langem den Manifestbuchladen
teilte – zugehörige Christa Eckes, aber auch Karl-Heinz Dellwo und
Margit Schiller, werden später für die Rote Armee Fraktion (RAF) aktiv.
Die Besetzer gebärdeten sich militant, obwohl es dann doch bei der
gewalttätigen Räumung (vgl. 23.5.1973), nur für ein Manöver der neuen
Einsatzkräfte der Polizei in Form des Mobilen Einsatzkommandos (MEK)
reichte. Die Zahlenverhältnisse von 70, angeblich bis an die Zähne
bewaffneten Besetzern, die gerne in den Hauseingängen mit Helm und
Knüppel für die geneigte Presse posiert hatten, gegen lediglich 60
normale Polizisten und nur 45 MEKler – verdeutlichen, dass es der
Polizei nicht zuletzt um sportlichen Ehrgeiz ging bzw. man die
Kampfkraft der BesetzerInnen für eher gering hielt und sich das MEK als
neueste Truppe zur Lösung von politischen Problemen bewähren sollte. Da
kam diese Hausbesetzung für einige Strategen sicher gerade recht.
Auch die örtliche Bevölkerung, bei der sich die Besetzer offenbar
nachhaltig unbeliebt gemacht hatten (vgl. 20.6.1973, 19.10.1973), wird
nach den linken Quellen am Nachmittag erfolgreich eingeschüchtert, ein
guter Teil der radikalsten Hamburger Linken aber nachhaltig inhaftiert
bzw. kriminalisiert.
Aus Leserkreisen erreichte uns folgende namenlose Zuschrift einer Person:
“Ich wundere mich, das in diesem Bericht nichts davon steht, dass die
ach so guten Hausbesetzter uns damalige Grundschüler auf dem Schulweg
mit Stahlkugeln aus Zwillen beschossen haben? Warum steht da nichts
davon, dass die Wichser da gehaust haben wie die Ratten, die
Verkäuferinnen vom Bolle-Laden für ein paar Kippen verprügelt wurden,
warum lese ich nichts davon, das kleinen Kindern der Roller oder das
Fahrrad weggenommen wurde, damit es von ein paar langhaarigen und
bärtigen Rockern kaputt gemacht werden konnte. So eine Scheiße kann man
nur schreiben, wenn man nicht selber dabei gewesen ist. Ich habe diese
Schweine dort jeden Tag erlebt und würde denen heute noch auf die Fresse
schlagen, für die Stahlkugeln die mich getroffen haben. Das waren ganz
tolle Kerle, die sich da mit Erstklässlern angelegt haben. Also, wenn Du
eins von den Arschlöchern warst, die damals dort auf der Haustreppe
gesessen haben, dann komm doch mal bei mir vorbei, wir haben da noch
eine Rechnung offen.” (Email vom 4.1.2010)
Der Protestzug der Linken gegen die Räumung am folgenden Wochenende
(vgl. 26.5.1973) erscheint nicht sonderlich gut besucht, angesichts
dessen, dass die linksradikalen Gruppen, also Spontis, RAF-Freunde,
Anarchos, KPD, KPD/ML sowie die GIM vermutlich ziemlich komplett aufmarschierten, sowie auch der spätere KBW, der damals in Hamburg noch Kommunistische Gruppe (KG) Hamburg bzw. Sozialistische Studentengruppe (SSG) Hamburg
hieß (vgl. 2.5.1973, 29.5.1973, 25.6.1973) und auch der Kommunistische
Bund (KB), wobei die Hausbesetzer anprangern, daß sowohl KB als auch die KG Hamburg gemeinsam Ketten vor dem Weg zum ehemals besetzten Haus bildeten.
Vom weiteren Verlauf der juristischen Verfahren wird in dieser Darstellung vor allem vermittels der Zeitung der KPD/ML auf verschiedene Artikel verwiesen (vgl. 22.9.1973, 6.10.1973, 27.10.1973, 17.11.1973, 29.4.1974, 22.6.1974), war die KPD/ML
bzw. ihre RG doch nicht nur an der Besetzung beteiligt, sondern
versuchte auch längere Zeit über, mit den eher auf die RAF orientierten
örtlichen Roten Hilfen (RH – vgl. Nov. 1973, 5.11.1973), die sich für
die Hausbesetzer einsetzten, eine gemeinsame Kampffront zu konstruieren,
bevor sie sich – oft gezwungenermaßen – aus diesem Spektrum
letztendlich in die Rote Hilfe Deutschlands (RHD) verabschiedete, ebenso
wie die KPD
und deren Anhänger, die ebenfalls wiederholt über die Folgen der
Hausbesetzung berichten (vgl. Okt. 1973, 19.11.1973, 12.12.1973,
17.1.1974, 18.1.1974, 7.8.1974, 14.8.1974).
Auf den Richter wird ein Anschlag verübt (vgl. 29.7.1974, 3.9.1974), später werden die Urteile gegen die Hausbesetzer teilweise vom Bundesgerichtshof wieder aufgehoben um schwerwiegendere Anklagen zu formulieren (vgl. 30.4.1975, 16.6.1975, 11.3.1976).
Vollständiges Material, vor allem Flugblätter unter folgender Adresse:
https://www.mao-projekt.de/BRD/NOR/HBG/Hamburg_Ekhofstrasse_39.shtml